Scheinselbständigkeit

In der Praxis kommt es regelmäßig vor, dass Gewerbetreibende oder Freiberufler sich zur Erbringung ihrer Leistungen anderer Selbständiger bedienen, welche dann als Subunternehmer oder Hilfskräfte für den Unternehmer tätig sind.

Das Problem hierbei ist, dass die Möglichkeit besteht, dass diese Subunternehmer sozialversicherungsrechtlich als sogenannte Scheinselbständige betrachtet werden.

In diesem Fall wird der Auftraggeber wie ein Arbeitgeber betrachtet und ist verpflichtet, für die an den Scheinselbstständigen geleisteten Zahlungen SV-Beiträge abzuführen.

Diese sog. Scheinselbständigkeit liegt vor, wenn das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer nach den Prüfungskriterien der Deutschen Rentenversicherung als abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu werten ist.

Die wesentlichen Merkmale einer abhängigen Beschäftigung sind nach § 7 (1) Satz 2 SGB IV demnach

  1. die Weisungsgebundenheit der Erwerbspersonen
  2. ihre betriebliche Eingliederung (in die Betriebsstruktur des Weisungsgebers)

und/oder

Merkmale für diese Kriterien sind:

für a) Weisungsgebundenheit:

–       Vorgaben des Auftraggebers hinsichtlich Zeit und Ort der Tätigkeit

–       Feste Arbeitszeiten

–       Vorgaben hinsichtlich Art und Weise der Erbringung der Tätigkeit

–       Vertraglich festgelegtes Arbeitsgebiet

–       Zuweisung bestimmter Aufgaben

für b) Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers:

–       Ausschließliche Nutzung von Betriebsmitteln des Arbeitgebers

–       Tragen von genormter Arbeitskleidung des Auftraggebers (fehlende Erkennbarkeit nach außen, dass nicht dem Unternehmen des Auftraggebers zugehörig)

–    Unselbständigkeit in Organisation und Durchführung der Tätigkeit

Für die Beurteilung sind stets die tatsächlich gelebten Umstände maßgebend.

Vertragliche Vereinbarungen sind hierfür irrelevant.

Die  früheren Abgrenzungskriterien, nach welchen im Rahmen des Ausschlussprinzips das Vorliegen einer Scheinselbständigkeit beurteilt wurde, werden jetzt nur noch als Indizien herangezogen. Eine alleinige Bewertung nach diesen Gesichtspunkten findet jedoch nicht mehr statt.

Diese Prüfkriterien waren:

–    Auftragnehmer beschäftigt im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit regelmäßig keinen SV- pflichtigen Arbeitnehmer (Entgelt regelmäßig über €450,00 pro Monat)

–    Auftragnehmer ist auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig

–    Auftraggeber lässt die durch den Auftragnehmer ausgeführten Tätigkeit im Übrigen regelmäßig durch von ihn beschäftigte Arbeitnehmer verrichten

–    Tätigkeit lässt typische Merkmale unternehmerischen Handelns nicht erkennen (Werbung etc.)

–    Tätigkeit des Auftragnehmers wurde zuvor im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses für denselben Auftraggeber ausgeübt

Entscheidend für die Beurteilung des Vorliegens einer eventuellen Scheinselbständigkeit ist stets eine Prüfung im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Einzelfalles.

Die gesetzlichen Regelungen sehen vor, dass bei Unklarheit hinsichtlich der Beurteilung des Vertragsverhältnisses zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer innerhalb eines Monats nach Beginn der Tätigkeit ein sog. Statusfeststellungsverfahren entweder durch den Auftraggeber oder durch den Auftragnehmer bei der Deutschen Rentenversicherung in Auftrag gegeben wird.

In diesem Fall würde es bei entsprechender Feststellung eines SV- pflichtigen Beschäftigungsverhältnisses erst ab Erlass eines Bescheides zur Beitragspflicht des Auftraggebers kommen.

Sollte anderenfalls erst später im Rahmen einer Prüfung des Rentenversicherungs-trägers das Vorliegen einer Scheinselbständigkeit des Auftragnehmers festgestellt werden, wird der Auftraggeber rückwirkend für die Dauer des Auftragsverhältnisses, max. für die letzten vier Jahre, zur nachträglichen Beitragszahlung verpflichtet.

Er schuldet dann als Arbeitgeber sowohl die Arbeitnehmer- als auch die Arbeitgeber-anteile zur Sozialversicherung. Die gezahlten Entgelte werden als Nettolohn gewertet. Es erfolgt also eine Hochrechnung auf einen fiktiven Bruttolohn!

Der dann als Arbeitnehmer zu betrachtende Scheinselbständige kann in diesem Fall nur für die letzten drei Monate zur Übernahme der SV-Arbeitnehmeranteile heran-gezogen werden, so dass der Auftraggeber die verbleibenden Beiträge allein zu tragen hat.

Zudem wird der Auftraggeber/Arbeitgeber mit Säumniszuschlägen (seit 2013 in Höhe von 1% pro Monat) belastet.

Weiter besteht die Möglichkeit bei Nachweis eines bedingten Vorsatzes des Auftraggebers die Rückwirkung auf bis zu 30 Jahre zu verlängern.

Zu beachten ist, dass die Prüfung einer SV- Pflicht stets nur das jeweilige Auftragsverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer betrifft.

Es ist daher möglich, dass der Auftragnehmer in Bezug zu anderen Auftraggebern zu Recht als Selbständiger auftritt, jedoch im Rahmen des zu prüfenden Auftragsverhältnisses als Scheinselbständiger gilt.

Sollten daher zu bereits bestehenden Auftragsverhältnissen Unsicherheiten bzw. Hinweise in Bezug auf eine mögliche Scheinselbständigkeit vorliegen, empfehlen wir Ihnen anwaltlichen Rat einzuholen.